August 2002 Umweltbrief.org Aus Blut gemacht - Tantal oder die andere Seite der digitalen Revolution ________________________________________________________________________ von John Horvath Wir denken meist, dass die elektronischen Geräte und Mittel, die uns umgeben, "saubere" Technologien sind. Während der Blütezeit des Internet wurde denn auch gerne der "saubere" und umweltfreundliche Aspekt der Computertechnologie gepriesen. Wer diesen Gemeinplatz übernommen hat oder noch immer von ihm überzeugt ist, dem mögen die falschen Argumente noch immer überzeugend erscheinen: schließlich sieht man nirgendwo Rauch wie bei einem Wagen oder einer Fabrik aufsteigen, wenn man den Computer anmacht oder das Mobiltelefon benutzt. Man kann die Verschmutzung nicht schmecken, sehen oder riechen. Das bedeutet natürlich nicht, dass es keine Umweltverschmutzung gibt. Vielen ist mittlerweile allerdings gedämmert, dass die Hightech-Industrie genauso oder sogar stärker die Umwelt belastet als die traditionelle Industrie. Dabei geht es nicht nur um die Menge an Toxinen oder an Energie, die zur Herstellung von Produkten wie Computern gebraucht werden, sondern etwa auch die von Geräten wie Mobiltelefonen ausgehende Strahlung sorgt für Beunruhigung. Aber damit ist es noch nicht zu Ende. Die digitale Revolution der vergangenen Jahre hatte nicht nur große Auswirkungen auf die Umwelt, die Gesundheit und die Gesellschaft, sie hatte auch blutige Folgen und nährte Kriege und Konflikte auf der ganzen Welt. Während wir weiter die Nachrichten sehen und bedauern, was sich ereignet, nehmen wir kaum wahr, dass vieles von der schönen, neuen Welt verursacht wurde, die wir geschaffen haben. Spielekonsolen und Mobiltelefone Das ist nirgendwo besser als in der zentralafrikanischen Region des Kongo zu sehen. Der Bürgerkrieg in der Demokratischen Republik Kongo taucht zwar kaum mehr in den Schlagzeilen auf, aber er ist noch nicht beendet. Gleichzeitig wird die biologische Vielfalt des Landes schnell zerstört. All das verdankt sich einem Edelmetall namens Tantal. Tantal ist ein seltenes, blaugraues Metall, das für viele unterschiedliche Zwecke verwendet werden kann. Es ist ein ausgezeichneter Leiter für Strom und kann Hitze und Säure gut widerstehen. Tantal wird aus Coltan gewonnen. Das ist der afrikanische Name für Tantal und Columbium oder Niob und ist abgeleitet von Columbo-Tantalit. Die primäre Verwendung von Tantal liegt in der Herstellung von Kondensatoren, um elektrische Ladungen zu speichern. In den meisten elektronischen Geräten wie Laptops, Videokameras, Mobiltelefonen und Spielkonsolen findet man derartige Komponenten. Spielekonsolen und Mobiltelefone werden als die Hauptquelle für die Nachfrage nach Tantal betrachtet. In vielen Regionen der Erde gibt es Tantal-Vorkommen, doch die verheerendsten Auswirkungen hatte der wertvolle Rohstoff für den Kongo. Hier gibt es große Mengen an Coltan, und die Gier nach dem Erz war zusammen mit dem Bürgerkrieg das Rezept für eine Katastrophe. Daher wurde Afrika am schlimmsten von der globalen Nachfrage nach Tantal betroffen, die seit der Mitte der 90er Jahre stetig zunahm. Im Jahr 2000 stellte sich eine weltweite Knappheit ein, vor allem wegen der Nachfrage der Konsumenten in den Industrieländern nach PlayStations. Den Menschenrechtsverletzungen gehen ökologische Katastrophen voraus: Um Coltanminen zu errichten, werden die dort lebenden Gorillas abgeschlachtet, damit man in Ruhe den Regenwald roden kann. Die Folge war eine Zerstörung der großen biologischen Vielfalt im Kongo. Illegale Minen breiteten sich in vielen Naturreservaten aus und bedrohten die einheimischen Arten, aber auch die dort lebenden Menschen. So ist beispielsweise das Okapi-Reservat die Heimat von Affen, Elefanten und den Okapis, einer seltenen, mit den Giraffen verwandten Art. Dort leben aber auch Tausende von Mbutis oder Pygmäen. Ihr Lebensraum wurde durch die Coltan-Schürfer beeinträchtigt. Zur Versorgung solcher Camps töteten professionell arbeitende Jäger großen Mengen an Wild. Eine der am meisten betroffenen Arten waren die Tieflandgorillas, die man nur im Kongo findet und die stark dezimiert wurden. Die sogenannte "digitale Revolution" hat zu diesem Zustand zweifellos einen Beitrag geleistet. Während des Technikbooms schnellte der Preis für Coltan um das Zehnfache empor. Der Grund, warum die PlayStation und viele andere Hightech-Geräte später auf den Markt kamen, lag vor allem an der Tantal-Knappheit im Jahr 2000. Seitdem sind die Preise mehr oder weniger auf den Stand vor dem Boom zurückgefallen, was man auf eine Kombination von Faktoren zurückführt: die großen Vorräte, die aufgrund der Panikkäufe angelegt wurden, die zurückgehende Nachfrage aufgrund der Krise vieler Hightech-Wirtschaftsbranchen, die weltweit einsetzende Rezession und die Entwicklung von Alternativen für Tantal. Die Nachfrage nach Coltan trägt nicht nur zur Umweltzerstörung bei, sondern ist auch einer der Gründe, warum der Bürgerkrieg im Kongo weiter geht. Die rivalisierenden Armeen kämpfen um die Gebiete, aus denen sie Geld durch den Abbau ziehen können. Und das ist auch der Grund, warum man in letzter Zeit so wenig aus dem Kongo gehört hat. Den multinationalen Unternehmen gefällt es nicht, wenn die Öffentlichkeit weiß, dass das Coltan aus dem Kongo, das in vielen Alltagsprodukten enthalten ist, Kriege am Leben erhält und die Zerstörung natürlicher Lebensräume beschleunigt. Den Konzernen gefällt es nicht, ähnlich wie beim Handel mit den "blutigen Diamanten" in Sierra Leone, Blut an den Händen zu haben. Sie fürchten, wie ein Beobachter festgestellt hat, Protestbewegungen, die "ihr Ansehen besudeln, indem sie die Aufmerksamkeit auf die Gorillas richten, die wegen Coltan sterben müssen, oder auf die Guerillas, die von ihm leben". Auch ein Boykott bei unveränderter Produktion ist keine Lösung Doch genau das öffentliche Wissen könnte für die Region letztlich Frieden und Stabilität bringen. Wissen, das die Wahrnehmung der Käufer beeinflusst, kann wie bei den blutigen Diamanten in Sierra Leone einen indirekten Einfluss ausüben. Und am stärksten zu einer Veränderung können Kaufgewohnheiten der Konsumenten in den reichen Ländern beitragen. Wie im Fall von Sierra Leone richtete sich die Suche nach einer Alternative für die blutigen Diamanten in andere Gebiete, um ihre Marken von jeder Verbindung mit dem dreckigen Geschäft zu bewahren und die moralischen Bedürfnisse der kritischen Verbraucher in den industrialisierten Ländern zu befriedigen. So gibt es bereits, was den Kongo betrifft, einige Fortschritte. Die belgische Fluglinie Sabena transportiert kein Coltan mehr aus dem Kongo. Coltan wird inzwischen auch in Australien abgebaut und es gab einen internationalen Druck für einen Boykott von Coltan aus Zentralafrika. Elektronische Riesen wie Nokia oder Motorola verlangen jetzt, dass die Zulieferer Coltan aus anderen Regionen verwenden. Auch wenn solche Reaktionen im Prinzip lobenswert sind, können sie das offensichtliche Problem aber nicht überdecken oder beiseite schieben. Die Verwendung von Coltan aus anderen Regionen mag zwar schlecht für die Konfliktparteien im Kongo sein, aber für andere wie das australische Unternehmen Sons of Gwalia, das nun die Hälfte des Weltbedarfs liefert, ist das eine gute Nachricht. Leider scheint, wie ein australischer Kommentator vermerkt hat, die Weltgemeinschaft die Zerstörung der australischen Fauna und Flora weniger zu belasten, da sie weniger spektakulär ist. Hier leben nämlich keine gefährdeten Gorillas. Die Menschen, denen die kritischen Verbraucher "geholfen" haben, erleiden allerdings weiter die brutalsten Formen der Ausbeutung. Das Problem Kongos ist, dass nur zwei Ressourcen wertvoll genug sind, um das Interesse der Welt zu wecken: die Erze und die Tiere. Die Menschen sind nur 20 Cents am Tag wert. Auch wenn die Nachfrage nach Coltan gegenwärtig gering ist, dürfte es sich nur um eine vorübergehende Situation handeln. Sobald die Märkte wieder anziehen und die Lagerbestände abnehmen, wird der Preis für Coltan wieder steigen. Es scheint auch eine Reihe von neuen Absatzmärkten für Tantal-Kondensatoren zu geben, die wie vor allem Anwendungen in Fahrzeugen eine wachsende Nachfrage unterstützen. Auch für Speicherchips und Prozessoren wird Tantal in Zukunft mehr gebraucht werden. Bis 2005 erwartet man ein jährliche Zunahme der Nachfrage nach Tantal um durchschnittlich 10 Prozent, was der Hälfte des Wachstums in der Boomzeit entspricht. Wie bei vielen anderen mit der Technologie verbundenen Problemen, neigen wir dazu, in die virtuellen Welten zu fliehen, die wir mit diesen Geräten erkunden können. Doch diese Geräte verschärfen nur die Probleme, denen wir zu entkommen trachten. Die wirkliche Welt ist zu kompliziert und zunehmend auch zu gefährlich geworden, um in ihr wirklich leben zu wollen. Wir können noch kaum erkennen, dass es genau diese Art des Übersehens ist, die, verbunden mit einem schwindenden Gefühl der persönlichen Verantwortlichkeit, die Traumata erzeugt, denen wir nicht ins Auge blicken wollen. Quelle: http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/te/12868/1.html Lesen Sie dazu auch unseren derzeitigen Ökotipp Mobilfunk Studie zu Nachhaltigkeit bei Computerherstellern ________________________________________________ Die Produktion in Billig-Lohn-Ländern ist wenig sozial. Hewlett-Packard setzt sich im "Corporate Responsibility Rating" der Münchener oekom research AG im internationalen Vergleich der acht führenden Computerhersteller an die Spitze. Die Rating Agentur hat nach eigenen Angaben die Umwelt- und Sozialleistung von sieben Unternehmen anhand von 200 Kriterien bewertet. Dabei sei eine Skala von A+ bis D- angelegt worden. Hewlett-Packard (US) konnte sich der Untersuchung zufolge in der aktuellen Untersuchung mit der Bewertung B- knapp vor Apple (US), ebenfalls B-, platzieren. Den dritten Rang habe das japanische Unternehmen NEC mit einem C+ belegt. "Schwermetalle, verschiedenste Kunststoffe und bromierte Flammschutzmittel sind noch immer Bestandteile von Computern. Dies führt zu Komplikationen bei der Entsorgung ausgedienter Geräte", so Evelyn Bohle, Analystin bei oekom research. Das mangelnde Engagement der Unternehmen verwundere, denn die aktuellen Umweltgesetze würden die Rücknahme und Entsorgung von Altgeräten durch die Hersteller künftig vorschreiben. Viele Unternehmen vertrieben ihre Geräte schon heute mit Rücknahmegarantien und griffen damit den Gesetzen vor; durch den Einsatz bedenklicher Stoffe würden sie die Problematik der umweltgerechten Entsorgung auf ihre eigenen Schultern laden. Auch hier ist mehr Nachhaltigkeitsmanagement gefragt. Ein weiteres Ergebnis der Untersuchung: Sozialstandards seien bei Computerherstellern noch wenig ausgeprägt. Viele Arbeitsverträge böten zwar eine übertarifliche Entlohnung, jedoch kaum Kündigungsschutz oder Sozialprogramme im Fall von Entlassungen - bei der derzeitigen instabilen Lage des Sektors ein hoher Unsicherheitsfaktor für die Arbeitnehmer. Auch umfassende Sozialstandards für Zulieferer suche man vergebens. Da viele Unternehmen verstärkt die Produktion auslagerten und ihre Komponenten von Firmen in Billig-Lohn-Ländern bezögen, sei dies ein großer Mangel. http://www.ecoreporter.de/magazin/archiv/umweltaktien/020716computer.shtml Energiewandler - Warum ein Mikrochip eigentlich ein Gewicht von einem Kilo hat ______________________________________________________________________________ Wenn der Computer auf dem Schreibtisch steht, dann sieht man ihm nicht an, welche Mengen an Ressourcen nötig waren und welche Umweltbelastungen anfielen, damit er das tut, was der Anwender von ihm verlangt. Eine solche umfassende Ökobilanz für einen gesamten PC zu erstellen, daran haben sich bislang nur wenige gewagt, und das auch nur mit unbefriedigendem Ergebnis. Das Produkt PC ist einfach zu komplex, überdies wird die Analyse auch dadurch erschwert, dass selbst die Hersteller der einzelnen Komponenten nicht genau wissen, was sich in ihren Produkten befindet. Eric Williams von der United Nations University in Tokio und seine Kollegen haben die wenigen internationalen Untersuchungen zum Thema ausgewertet und daraus die ökologischen Auswirkungen der Produktion eines 32 Megabyte RAM-Speicherchips errechnet: Für die Herstellung des nur zwei Gramm schweren Computerchips werden unterm Strich 1,6 kg fossile Brennstoffe zur Gewinnung der benötigten Energie, 72 g Chemikalien und 32 kg an Wasser benötigt. Damit erreicht mit dem nur 1,2 Quadratzentimeter großen Speicherchip nur ein Bruchteil des für seine Herstellung notwendigen Ressourcenverbrauchs letztendlich den Schreibtisch des Anwenders. Mehr bei http://www.telepolis.de/deutsch/inhalt/lis/13565/1.html Spruch des Monats: __________________ Die Menschen neigen zur falschen Auffassung, daß, da sich alle unsere mechanischen Apparate so flink vorwärts bewegen, auch das Denken schneller vor sich geht. Christopher D. Morley