Oktober 2007 Umweltbrief.org + 2015: Autofahren in der Zukunft + Emissionssenkung nur mit Elektrofahrzeugen + Frankreichs Post setzt auf Elektroautos + Toyota will (Strom-)Tankstellenanbieter werden + IAA 2007 oder Die Angst vor Veränderung + Britische Liberaldemokraten wollen Null Emissionen bis 2050 + Slow City - Slow Food 2015: Autofahren in der Zukunft _______________________________ Es ist kurz vor halb 5 morgens und der Wind weht stürmisch ums Haus. Früher mussten die Windenergieanlagen bei solch starkem Wind immer stillgesetzt werden, um instabile Netzzustände zu vermeiden. Heute freuen sich die Besitzer der Elektroautos über den günstigen Nacht-Windstrom, der von Ökostrom-Anbietern umweltfreundlich produziert wird. Bei Benzinpreisen so um die 3 Euro pro Liter ist es schon ein Vorteil, wenn man mit Ökostrom für 3 Euro rund 100 km weit fahren kann. Und die Umwelt freut sich auch! Natürlich wurde die ganze Energiekette als CO2-frei zertifiziert und somit zahlt man auch weniger Kfz-Steuern. Alles geht wie ganz von allein: Eine kleine Steckdose mit Ökostrom in der Garage haben inzwischen schon so einige. Das Internetradio weckt uns mit sanften Tönen aus dem Web und weiß natürlich genau, wann wir aufstehen sollen. Dass wir heute erst später aufstehen können, liegt auch daran, dass das neue Stau-Vermeidungsprogramm unsere persönliche Weckzeit beeinflusst, damit nicht alle gleichzeitig auf die Straßen drängen. Also los: Was denn, kein Autoschlüssel? Nein. Ein RFID-chip in der Brieftasche genügt. Dadurch weiß das Auto einfach, wer jetzt einsteigt und stellt alles automatisch ein. Spiegel, Sitze, die Innentemperatur und auch das Radioprogramm. Wir stellen einfach den Fahrhebel auf "D" (vorwärts) und betätigen das "Strompedal". Selbst bei 50 km/h ist lediglich ein leises Surren zu hören, am lautesten sind Reifen- und Windgeräusche. Das Fahrzeug sendet seine Zielkoordinaten an die Verkehrszentrale, denn das Verkehrsleitsystem will informiert sein, wo das Fahrzeug hinfährt, damit es die Ampeln entsprechend schalten kann, um Staus zu vermeiden. Dafür gibt es noch mal Rabatt bei der Kfz-Steuer, weil unnötiger Straßenbau vermieden wird. Das Elektroauto ist im Stand völlig frei von Geräuschen und Vibrationen; es beschleunigt mühelos in einer Weise, wie wir es früher nur von Sportwagen kannten. Und zu schalten brauchen wir auch nicht mehr. In dem Fahrzeug sind allerlei Neuerungen eingebaut, wie z.B. die energiesparenden LED Lampen, eine Kamera zur Überwachung des Toten Winkels etc. Das Tempolimit von 110 km/h, auf das klimagasemittierende Fahrzeuge im Jahr 2011 elektronisch begrenzt werden mussten, gilt nicht für emissionsfreie Fahrzeuge; diese werden erst bei 130 km/h abgeregelt. Wer noch ein Auto mit der alten Benzin- oder Dieseltechnologie hat, fährt jetzt nicht nur viel teurer, sondern auch langsamer. Und alle paar Tage droht den Stinkern auch noch ein Fahrverbot in Ballungszentren. Endlich angekommen, öffnet sich wie von Geisterhand das Rolltor der Tiefgarage - RFID macht's möglich. Die Lichtpunkte im Boden führen uns zu einem freien Stellplatz, denn das Parkhaus ist "intelligent" und kennt unseren Terminplan. Schnell ist der logistisch optimale Stellplatz gefunden, damit zum Feierabend kein Stau entsteht. Natürlich genießen abgasfreie Autofahrer das Privileg eines bevorzugten Stellplatzes nah am Aufzug. Der Lift, der schon auf uns wartet und genau weiß, in welches Stockwerk wir wollen - das "Internet der Dinge" macht es möglich. Jede technische Einrichtung kann sich mit anderen zu sinnvollen Einheiten vernetzen und Informationen austauschen. Beim Pausengespräch unterhalten wir uns über die neusten Entwicklungen in den "Atmosphärenbeeinflussungstechnologien"; Ein Konsortium verschiedener Versicherungen, Technologie- Chemie- und Landwirtschaftskonzerne hat sich nun endlich zusammengeschlossen und entwickelt sichere Technologien zur Verlangsamung der globalen Erwärmung. Das Garagentor zuhause öffnet sich natürlich automatisch und wir fahren unser Elektroauto wieder in die Garage. Da wir heute wieder nur 55 km weit gefahren sind, haben die Akkus noch genug Ladung, um einen zweiten Tag zu bestehen. Doch wir schließen das Auto wieder an unsere Ökostrom-Steckdose an, damit die Batterien morgen wieder ganz voll sind - sofern der Strom heute billig genug ist - denn bei teurem Strom laden wir nicht. Das ist in unserem Vertrag mit dem Ökostrom-Erzeuger so vereinbart. Jetzt ist erst mal Zeit für die Nachrichten. Es ist 17:16, aber Dank der view-on-demand Technologie können wir sie jetzt sehen, da wir gerade Zeit haben: "Es wurde gerade offiziell bestätigt, das das Fördermaximum von Rohöl im Jahre 2015 weit überschritten wurde. Der Ölpreis hat deshalb innerhalb weniger Stunden ein weiteres Rekordhoch erfahren." Mit weitreichende Konsequenzen für Wirtschaft und Lebenshaltungskosten... Die hochgradig ölabhängige US-amerikanische Wirtschaft pfeift nun aus dem letzten Loch, weil sie sich nicht rechtzeitig genug auf erneuerbare Energien umstellen durfte... Der Anteil der regenerativen Energien liegt in Europa nun bereits bei 17%. Spitzenreiter ist natürlich Deutschland mit 24%. Schlusslicht ist Frankreich, das zu lange auf die Atomenergie gebaut hat und daher erst bei 13% liegt. Emissionssenkung nur mit Elektrofahrzeugen __________________________________________ Volvo-Entwicklungschef Jonsson ist überzeugt, dass künftige CO2-Grenzwerte "nur mit einem Anteil von Elektrofahrzeugen" erfüllt werden können. "Bei sinnvollem Einsatz dürften die CO2-Emissionen um rund zwei Drittel günstiger ausfallen als bei den besten Hybridfahrzeugen, die es derzeit zu kaufen gibt." Die einzelnen Komponenten sind nahezu serienreif. Der Generator und die Radnabenmotoren beispielsweise entstanden in Zusammenarbeit mit der britischen Firma PML Flightlink. Die Spezialreifen für Radmotor-Fahrzeuge hat Michelin entwickelt. Und auch die Lithium-Polymer-Batterie, heißt es bei Volvo, sei praktisch einsatzreif. Was aber noch fehlt, ist die Kombination aller Module im Rahmen sämtlicher gesetzlicher Vorschriften - und natürlich die Kundschaft, die nach einem solchen Elektrofahrzeug fragt. Mehr bei http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518,506540,00.html [Die Kundschaft dürfte sehr schnell gefunden sein, schon nach einer Probefahrt.] Frankreichs Post setzt auf Elektroautos _______________________________________ "La Poste" will innerhalb von fünf Jahren seine Briefträger mit insgesamt 10 000 Elektroautos ausstatten und so aktiv zum Klimaschutz beitragen. Die französische Post, mit 60 000 Fahrzeugen, 30 000 Fahrrädern, 3 Zügen und 25 Flugzeugen der größte Flottenbetreiber Frankreichs, hat in den letzten Jahren verschiedene Elektrofahrzeuge getestet. Während die ersten Modelle von Peugeot mit einer Batterieladung nur 30 km weit kamen und deshalb durchfielen, konnten die acht Testexemplare des Herstellers Cleanova überzeugen. Sie kommen im Praxiseinsatz auf Reichweiten von mindestens 150 km. Die Post sieht, trotz des vergleichsweise hohen Anschaffungspreises, Vorteile hinsichtlich Zuverlässigkeit, Lärmbelastung (d.h. weniger Stress für die Briefträger) und laufender Kosten. So entspricht der Preis eines gefüllten Benzintanks in etwa sechs Aufladungen der Li-Ionen-Akkus des Elektrofahrzeuges. Elektrofahrzeuge - egal ob Privat- oder Firmenfahrzeug - erhalten in Frankreich einen Zuschuss von 3200 Euro. Mehr bei http://www.elektroniknet.de/home/automotive/news/n/d/frankreichs-post-setzt-auf-elektroautos http://www.wattgehtab.com/index.php/content/view/937/9 http://www.cleanova.com/public/rubrique.tpl?id=8092&hl=FR Toyota will (Strom-)Tankstellenanbieter werden ______________________________________________ Während die meisten europäischen Autohersteller serienreife Hybridfahrzeuge wohl erst in einigen Jahren präsentieren werden, erwägen Toyota und die französische Elektrizitätsgesellschaft EDF bereits, ein europaweites Netz von Ladestationen für Elektro- und Hybridautos zu schaffen. Beide Unternehmen haben laut "Financial Times" eine entsprechende Vereinbarung getroffen. Die Strom-Tankstellen sollen vor allem eine Infrastruktur für den Einsatz von sogenannten Plug-Ins schaffen, die ihre Akkus über das reguläre Stromnetz aufladen. Mehr bei http://www.spiegel.de/auto/aktuell/0,1518,503544,00.html IAA 2007 oder Die Angst vor Veränderung _______________________________________ GTS, GTI, GT2, GT Speed, SLR, RS8... und ein Bugatti, der einen Liter Superbenzin pro Kilometer verfeuert! Mittelklasseautos mit zwölf Zylindern und 730 PS sowie Extremautos bis zu 1000 PS mit Saugmotor und Dinosaurierfunktion. In nur einer halben Stunde verbrauchen sie die Menge Sprit, mit der sparsame Autofahrer in normalen Wagen eine ganze Woche fahren können. Wer kann (darf) diese Autos wohl in zehn Jahren noch fahren? Und wo? Leistungsversessenheit auf Kosten unserer Ressourcen und des Klimas. Auf der anderen Seite muss der Diesel als Alibi-Funktion eines sog. "sauberen Autos" herhalten; manchmal mit Hybrid, aber meist nur "Soft-" oder "Mildhybrid". Doch die meisten vorgestellten "Saubermänner" sind nur Konzepte und Studien. Vom Toyota Prius Hybrid wurde bereits eine Million verkauft, während die Deutschen noch nicht einmal ein konkretes Startdatum nennen können. Es bleibt also beim Verbrennen von Öl, das schon bald für die meisten unbezahlbar werden wird, denn der Ölpreis steigt immer weiter. Und es bleibt bei dieselnden Motoren, Gestank und Feinststäuben. Bei weiter steigenden Spritpreisen lassen sich sparsamere Autos besser verkaufen als durstige. Dazu gehört auch eine abgasbezogene Kfz-Steuer. Falsche Weichenstellungen können auch auf den Arbeitsmarkt gravierende Auswirkungen haben. In der EU-Kommission wird die Senkung des durchschnittlichen CO2-Ausstoßes der gesamten Fahrzeugflotte eines Herstellers auf 120 Gramm CO2 bis 2012 erwogen. Porsche will sich statt einer Innovation nun gegen die Pläne der EU wehren, verbindliche Abgaswerte einzuführen. Notfalls, so die Drohung, werde man dagegen klagen. Statt neuer Konzepte wird zumeist mit aerodynamischen Optimierungen und Manipulationen der Steuerelektronik gearbeitet. Auch das VW Bluemotion-Konzept ist z.B. eine Farce: Man hat einfach den Unterboden geglättet, um den Luftwiderstand zu verbessern und leicht laufende Reifen aufgezogen. Die Autoindustrie verschaukelt ihre Kundschaft: sie behält die wirklichen Innovationen vorerst im Safe und bietet eine modifizierte Technik von 1980 im immer neuen Gewand an. Es gibt längst viel bessere und effizientere Autos - wir können sie nur nicht kaufen, jedenfalls nicht in Deutschland. Die deutschen Konzerne, früher Technologie-Führer, hinken der Konkurrenz hinterher. Sie werden etliche Jahre brauchen, um bei Öko-Autos wieder die Führung zu übernehmen. Wenn sie es überhaupt schaffen. Nur Lobbyismus, ein paar kleine Fahrzeugmodifikationen und teure PR-Kampagnen, das ist zu wenig. Solange die Autokonzerne nicht vom Gesetzgeber gezwungen werden, machen sie einfach weiter wie bisher [auch im Sinne der Öl-Lobby, von der sie ganz offensichtlich kontrolliert wird]. Zumindest solange, bis der an den Börsen schon bevorstehende Ölpreisschock ihnen das Verkaufen dieser Autos unmöglich machen wird. Ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts könnte in Deutschland einiges verändern: Auch wer an Hauptverkehrstraßen wohnt, hat Anrecht auf saubere Luft - und darf Verkehrsbeschränkungen fordern. Jetzt wollen Umweltschützer in mehreren Städten gegen zu hohe Feinstaubwerte klagen. Nur elektrisches Autofahren kann die Mobilität, die wir jetzt gewohnt sind, erhalten. Der Auspuff muss weg! "Sehen, was morgen bewegt", hieß das Motto der IAA 2007, doch genau das war kaum zu sehen. Angesichts der Vielzahl der global betriebenen Fahrzeuge (Tendenz steigend) genügt es längst nicht mehr, dass sie etwas weniger CO2 ausstoßen, sondern sie dürfen in Zukunft praktisch gar kein CO2 mehr erzeugen! CO2, das heute in die Luft geblasen wird, bleibt dort für die nächsten 100 Jahre! Wann begreift man endlich, dass nur ein elektrischer Antrieb Null Emissions-Autos bringen kann? Dabei ist der E-Antrieb etwa so alt wie das Auto selbst. Keine Verbrennungsmaschine erreicht auch nur annähernd den Wirkungsgrad des Elektromotors, der nahezu verlustfrei für Vortrieb sorgt. Zudem kosten 100 km bei einem Elektroauto nur ca. 2,80 Euro an Strom. Und dafür muss natürlich noch intensiver in Erneuerbare Energien investiert werden! Der Hybrid-Antrieb kann also nur eine Übergangslösung sein, zumal das Elektroauto längst serienreif ist und bereits jetzt Reichweiten von 150 bis 400 Kilometern hat (wer fährt denn mehr an einem Tag?). Der vollelektrische Tesla Roadster war also der einzige Lichtblick der IAA; einer, den man sogar schon kaufen kann. Öko sells - ein Geschäft für ausländische Hersteller. Wir - das umweltbrief.de-team - werden jedenfalls kein Auto mehr kaufen, das CO2 emittiert. Aus ökologischen Gründen, aber auch aus ökonomischen. Britische Liberaldemokraten wollen Null Emissionen bis 2050 ___________________________________________________________ Die britischen Liberaldemokraten beraten auf ihrem Parteitag ein ehrgeiziges Klimaschutzprogramm. Bis 2050 sollen die Treibhausgasemissionen des Landes auf Null runtergefahren werden. Erreichen will die Partei unter anderem durch die Förderung und Verbesserung der Bahn, den Bau von Hochgeschwindigkeitsverbindungen und der schrittweisen Abschaffung von Autos mit Verbrennungsmotoren. Ab 2040 soll nach dem Willen der drittstärksten Partei des Landes auf britischen Straßen kein Benzin- und kein Dieselfahrzeug mehr unterwegs sein. Strom soll spätestens 2050 zu 100% aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden, wobei Plänen zu einem Revival der Nuklearindustrie ausdrücklich eine Absage erteilt wird. Erreicht werden soll das unter anderem mit einem Umbau des Steuersystems, das Emissionen verteuert und die Bürger gleichzeitig bei der Einkommenssteuer entlastet. Umweltschonende technische Entwicklungen sollen gezielt gefördert und der Emissionshandel wirksamer gemacht werden, indem die CO2-Zertifikate versteigert werden. Mehr bei http://www.heise.de/tp/blogs/2/96098 Slow City - Slow Food _____________________ Anhänger der in Italien gegründeten "Slow City"-Bewegung fordern Autoverbote in Innenstädten und die Verbannung von Big Macs und Supermärkten. Gleichzeitig soll modernste Forschung bei der Vision von der perfekten Stadt helfen. Auch wenn Autos noch nicht verboten sind - in der Innenstadt wirkt man mit seinem Fahrzeug wie ein Fremdkörper unter gemächlich dahinflanierenden Fußgängern, die betont langsam zur Seite gehen. Die Stadt Orvieto gehört zur "Slow City"-Bewegung, die sich aus dem erfolgreichen "Slow Food"-Konzept entwickelt hat. Kleinstädte sollen durch Einhaltung strikter Regeln ihre traditionelle Struktur erhalten, Autos aus der Innenstadt verbannen, sich mit lokalen Produkten selbst versorgen und nachhaltige Energien nutzen. Filialen von Supermarktketten und McDonald's-Restaurants sucht man in diesen Städten vergeblich. Die Langsamkeitswelle breitete immer mehr aus, 42 Orte sind es in Italien, und auch in Großbritannien, Spanien, Portugal, Österreich, Polen und Norwegen gibt es inzwischen Städte, die sich an dem strikten Kriterienkatalog orientieren. In Deutschland schafften es Hersbruck, Lüdinghausen, Schwarzenbruck, Waldkirch und Überlingen. Eine "Slow City" versucht, die Ortsstrukturen etwa aus dem Mittelalter oder der Renaissance zu erhalten, jedoch gleichzeitig modernste wissenschaftliche Erkenntnisse der Ökologie und Nachhaltigkeitsforschung einzubeziehen. Auch für die Umsetzung und Reglementierung ist moderne Technik erlaubt. Inzwischen machen Schlagwörter wie "Slow Travel", "Slow Living" oder "Velo Slow" die Runde. Mehr bei http://www.cittaslow.info