Juni 2005 Umweltbrief.org Anita Roddick: Fette Nüsse, fairer Handel - Hilfe durch nachhaltige Wirtschaft ______________________________________________________________________________ "Im wahrsten Sinne des Wortes muss man mit den Dorfbewohnern Tee trinken, um ins Gespräch zu kommen", sagt Anita Roddick. Die Gründerin der Body-Shop-Kosmetikkette will, dass auch ihre Zulieferer in der Dritten Welt vom Geschäft mit Kosmetika profitieren. "Hilfe durch Handel" lautet ihr Konzept. Was anfangs als ruhiger Nebenverdienst geplant war, entwickelte sich zu einem Imperium mit mehr als 2.000 Geschäften in 50 Ländern, darunter Deutschland und Frankreich. Bekannt wurde Anita Roddick aber nicht nur durch ihr expandierendes Unternehmenskonzept. Aufsehen erregen ebenso ihr vehementer Einsatz gegen Tierversuche und für einen fairen Handel mit der Dritten Welt, für politische Gefangene und gegen das gängige Schönheitsideal der Kosmetikbranche. Body-Shop-Milliardärin Anita Roddick setzt sich für gerechte Globalisierung ein. Sie ist keine Managerin, die das Leben nur aus dem Chefsessel kennt. Die Konkurrenz belächelt sie für ihre Besuche bei den Menschen, die ihr Unternehmen mit Rohstoffen beliefern. Doch ihr ist es wichtig, dass die Dorfbewohner wissen, wofür und mit wem sie arbeiten. "Das braucht Zeit, und das ist auch der Grund, warum das viele Firmen im Westen nicht mögen. Es geht einfach nicht schnell genug über die Bühne. Sie können nicht sagen: 'Ich will fünf Tonnen Kakaobutter oder Sheanüsse und zwar jetzt und zu jenem Preis!' Da passiert ein wirklicher Gedankenaustausch, auf den man schätzen muss." Anita Roddick geht es um einen Handel der besonderen Art mit den Frauen des Dorfes. Doch dafür braucht sie die Unterstützung des Ältestenrates. Dafür muss sie auch den Dorfältesten, den "Chief" besuchen - ohne ihn geht gar nichts. Besser als alle Worte überzeugt ein Beweis - eine Body-Shop-Creme mit pflanzlichen Fetten, die die Frauen aus den Dörfern dieser Region gesammelt haben. Die Männer staunen, was ihre Ehefrauen zustande gebracht haben. Schon als Studentin reist sie um die Welt und sammelt Rezepte für Naturkosmetik. Kann man gute Geschäfte machen und trotzdem moralisch handeln? "Ich persönlich könnte das eine nicht ohne das andere machen. Unternehmen, die nur an die Maximierung von Profit glauben, handeln nicht nur moralisch falsch, sondern schaden letztlich auch ihrem Geschäft. Denn die ganze Welt rebelliert - dank der immer besseren Informationsmöglichkeiten - gegen Skandale aus Profitgier. Man muss sich nur an die Zielscheiben vergangener Proteste erinnern: Brent Spar, Produkte aus Kinderarbeit oder genmanipulierte Nahrung." Anstelle der sonst üblichen Hungerlöhne kauft sie die Produkte zu deutlich höheren als den Weltmarktpreisen ein. Sie will langfristige Verträge statt schneller Geschäfte. Anita Roddick hat aus früheren Fehlschlägen gelernt: vom Handel sollen nicht nur einzelne Personen profitieren, während andere arm bleiben. Damit es allen Dorfbewohnern besser geht, zahlt Body Shop pro Kilo Sheabutter zusätzlich Geld in einen Entwicklungsfond. Was mit dem Geld geschieht, das in den Fond eingezahlt wird, entscheiden alle Sammlerinnen gemeinsam. Sie passen auf, dass kein Dorfältester sinnlos Geld verprasst. Jedes der an dem Handel beteiligten Dörfer bekommt den gleichen Anteil aus dem Entwicklungsfond. Was damit finanziert wurde, hat den Alltag in den Dörfern verändert. Früher mussten die Frauen oft stundenlang marschieren, um Wasser zu holen. Heute verfügen alle zehn Dörfer, in denen die Sheanuss-Sammlerinnen leben, über eigene Brunnen oder sind an eine Wasserversorgung angeschlossen. Die Regierung Ghanas hat kein Geld für neue Hospitäler. Doch dank der Einnahmen aus dem fairen Handel kann sich das Dorf jetzt selbst helfen. Früher traf Anita Roddick schüchterne Frauen in den Dörfern, die sich kaum trauten, mit ihr zu reden. Für die Idee mit dem Sheabutter-Handel hatten die Männer wenig übrig. Heute ist ihnen das Lachen vergangen. Denn ihre Frauen verdienen nun oftmals mehr Geld als sie selbst. Auch eine Dorfküche, um Kinder zu verpflegen, während ihre Eltern arbeiten, kann sich das Dorf jetzt leisten. Hier muss kein Kind hungern. "Es macht mich glücklich zu sehen, wie die Kinder zu essen bekommen. Es macht mich glücklich, wenn ich den Frauen die Produkte zeige oder wenn ich in die Schule gehe und die lernenden Kinder sehe." Was zählen schon kleine Qualitätsmängel oder ab und zu unsichere Lieferzeiten, wenn das Elend verschwindet? "Ich wüsste nichts anderes im Leben einer Geschäftsfrau, was der Arbeit mehr Sinn geben könnte. Weder Reich sein, noch Macht haben, kann das vollbringen. Wärme und Menschlichkeit stehen hier im Mittelpunkt." Mit mehr als 40 Dorfgemeinschaften in aller Welt betreibt Anita Roddick faire Geschäfte. Mehr bei http://www.3sat.de/3sat.php?http://www.3sat.de/nano/cstuecke/36667 http://www.zeit.de/archiv/2001/21/200121_portraet.roddick.xml http://www.goethe.de/z/jetzt/dejzus80/dejzus80.htm Wenn man mit diesem nachhaltigen Konzept innerhalb von 30 Jahren Milliardärin werden konnte, wie sehr dann wohl erst im 21. Jahrhundert... Buchtipp ________ Anita Roddick: Die Body Shop Story Erdbeer-Lippenbalsam, White Musk Body Spray, Nuss-Körperbutter, Seetang-Peeling. Anita Roddicks Name steht für Natur-Kosmetik. Ohne Konservierungsstoffe, ohne Tierversuche und ohne großen Verpackungsmüll. Doch nicht nur das. Anita Roddick setzt sich Zeit ihres Lebens ein für eine menschlichere Wirtschaft. Und für eine bessere Welt. Die provokanten Kampagnen gegen Gewalt und Kinderarbeit, Unterdrückung und Menschenrechtsverletzungen haben der Königin der Pfefferminz-Lotion nicht nur Gutes gebracht. Die Unternehmen kämpfen mit harten Bandagen. Und greifen jeden an, der sich ihnen in den Weg stellt - und die Spielregeln der Wirtschaft missachtet. Die Story dahinter ist eine fesselnde Geschichte über eine der faszinierendsten Unternehmerinnen unserer Zeit. Tief dringt der Leser ein in Roddicks Gedankenwelt. Begleitet sie auf Vorträge, Mitarbeiterversammlungen und Demonstrationen. Lernt das Schicksal der Ogoni kennen und das Leid rumänischer Waisenkinder. Leicht wäre es für Roddick gewesen, sich zurückzulehnen und ein mondänes Leben zu führen. Doch Roddick ist praktisch die Erfinderin des nachhaltigen Wirtschaftens und davon überzeugt: "Ein Unternehmen muss nach Profit streben, wenn es nicht sterben soll. Doch wenn jeder versucht, die Geschäfte ausschließlich nach dem Profit auszurichten, wird das Unternehmen ebenfalls sterben, denn es verliert damit seine Daseinsberechtigung." Gebundene Ausgabe - Econ, ISBN: 3430178789, EUR 9,95 http://www.amazon.de/exec/obidos/ASIN/3430178789/302-6314333-6184827 Fair geht vor _____________ Im heiß umkämpften Lebensmittelhandel konnten im vergangenen Jahr Absätze mit TransFair-Produkten von 6.500 Tonnen erzielt werden. Dies bedeutet eine Steigerung um 33%. "Die Produzentenorganisationen in Afrika, Asien und Lateinamerika erhielten durch den bewussten Einkauf der Verbraucherinnen und Verbraucher Fairtrade-Prämien von 1,2 Millionen Euro", sagte Norbert Dreßen, Vorstandsvorsitzender von TransFair. Damit können sie in soziale Projekte und die Umstellung auf ökologischen Anbau investieren. Stärkste Steigerung seit Beginn: Über die neun Produktgruppen hinweg wurde ein Umsatz von 57,5 Millionen Euro erzielt, ein Plus von 13% gegenüber dem Vorjahr. Qualität und Idee scheinen die Verbraucher zu überzeugen. Mehr bei http://www.transfair.org Öko-Produkte brauchen neue Ästhetik - Askese ist nicht mehr gefragt ___________________________________________________________________ Die Hersteller von Öko-Produkten sollten nach Meinung des Zukunftsinstituts in Kelkheim darauf achten, die Entwicklung nicht zu verschlafen. In einem Interview der Design-Zeitschrift PAGE sagt Eike Wenzel vom Zukunftsinstitut: "Vielen aus der Branche ist noch gar nicht bewusst, dass sie angesichts des Megatrends Gesundheit riesige Chancen haben." Die Bio-Branche müsse sich beeilen, so Wenzel, "denn konventionelle Hersteller sind ihnen auf den Fersen". Obwohl gar nicht Bio, setzten sie verstärkt auf Natürlichkeit und Authentizität und positionierten sich als trendige Lebensmittel. Auch neue Bio-Supermarktketten würden für neuen Druck sorgen. Besonders wichtig sei die richtige Ansprache der Käuferschaften. Eine bedeutende Zielgruppe sei "die kreative Klasse", so Wenzel. "Das sind Selbständige aus dem Bereich Medien, Agenturen und technologische Dienstleistungen, die nicht nach einer Anstellung streben, weil ihnen ihre Unabhängigkeit mehr Lebensqualität bietet. Sie machen schätzungsweise 60 bis 70 Prozent der Öko-Käufer aus. Leute, die Öko zum Lifestyle erklären, wollen lustvoll einkaufen. Das Asketische hat ausgedient." Mehr bei http://www.umweltdialog.de/umweltdialog/verbraucher/2005-05-19_neue_Bio_Aesthetik.php