Mai 2009 Umweltbrief.org Alles Bio oder was? ___________________ "Kein Gift im Essen" - müsste zu den Grundrechten gehören. Die Verbraucher haben das Recht zu erfahren, was wirklich im Essen steckt. Doch ausgerechnet bei Lebensmitteln ist viel zu oft Schlamperei oder Profitgier im Spiel, auf Kosten unserer Gesundheit. Nitrofen im Getreide, Pestizide im Gemüse, Antibiotika im Fleisch, Nitrat im Salat, Zucker im Kindertee, Aromastoffe im Joghurt, Pflanzenschutzmittel im Wasser etc. Die Krankheitskosten durch Fehl-Ernährung werden auf 75 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Während Fast Food und Industrie-Lebensmittel ihren Siegeszug rund um den Globus fortsetzten, gibt es aber auch die Agrarwende und eine wachsende Verbrauchermacht. Hof-und Bioläden haben inzwischen gute Konjunktur. Und immer mehr Verbraucher wollen sichere, hochwertige und bezahlbare Lebensmittel und eine Landwirtschaft, die mit der Umwelt im Einklang steht. Während in der deutschen Ernährungsindustrie 2002 die Umsätze um ein Prozent sanken, stieg der Umsatz ökologisch produzierter Lebensmittel um zehn Prozent! "Essen ist Politik", sagt Thilo Bode von der neuen Verbraucherorganisation footwatch. "Die Agrar-, Nahrungsmittel- und Pharmaindustrie ist so stark organisiert, dass die Politik ohne Gegendruck der Bürger vor den Wirtschaftslobbyisten einknickt." Auch Zusatzstoffe müssen nur teilweise angegeben werden. So werden allergieauslösende Substanzen nicht angezeigt. Die Industrie hat - ganz klar - kein Interesse daran. Konventionelle Lebensmittel sind deshalb so billig, weil sie die Folgekosten nicht enthalten", betonte Dr. Karl von Koerber, Experte für Vollwerternährung und Universitätsdozent in München. Bio-Produkte ____________ In den Bauernhof- und Naturkostläden wird auf die biologische Herkunft der Produkte viel Wert gelegt. In den Supermärkten ist das Angebot dagegen oft unübersichtlich. Die Kennzeichnungen sind oft verwirrend; als "kontrolliert biologisch" oder "kontrolliert ökologisch" dürfen tatsächsich nur eindeutige Bio-Produkte bezeichnet werden. Weniger eindeutig sind Bezeichnungen wie "aus kontrolliertem Anbau" und "aus integriertem Pflanzenbau". Hinzu kommen phantasievolle Bezeichnungen wie "aus kontrolliertem Vertragsanbau", "umweltschonend", "unbehandelt", "naturidentisches Aroma" oder aus "natürlichem Anbau", die eher auf geschickte Werbung für Mogelpackungen hinweisen als auf echte Bio-Produkte. Das bundesweite Bio-Siegel soll die Orientierung erleichtern. Aber schon jetzt sind echte Öko-Lebensmittel zu erkennen. Diese sind nicht unbedingt Öko-Produkte: Alternativ; Auf Gründünger gewachsen; Biologische Schädlingsbekämpfung; Naturgedüngt; Gewachsen ohne Chemie; Kontrollierter Anbau; Naturnahe Verfahren beim Umweltschutz; Nicht chemisch behandelt; Aus umweltschonendem Anbau; Umweltverträglich; Unbehandelt; Ungespritzt etc. Diese Bezeichnungen weisen auf echten ökologischen Anbau hin: - Bio - Biologisch - Biologisch-dynamisch - Bio Anbau - Kontrolliert ökologischer Anbau - Kontrolliert biologischer Anbau (kbA) - Ökologische Agrarwirtschaft - Organisch - Ökologisch - EG-Kontrollsystem - Ökologischer Landbau - Organic - Organisch-biologisch Mehr bei http://www.foodwatch.de und dem Info-Telefon 030-28 093 995 Bio nicht mehr ohne Gendreck! _____________________________ Die EU definiert neu, was Öko-Essen ist - und weicht die Kriterien weiter auf. Bioessen darf demnächst Gentechnik enthalten. Das sieht die EU-Kommission in ihrem Entwurf für eine neue Ökoverordnung vor. Brüssel definiert darin neu, was Bio ist und was nicht - und bringt die Ökoverbände gegen sich auf. Hintergrund: Die Verbraucher essen nicht mehr alles, was in den Laden kommt. Viele haben giftiges Gemüse und gammelndes Fleisch satt - und setzen auf Bioprodukte. Mittlerweile verdienen auch Edeka, Tengelmann oder Aldi gutes Geld mit Öko. Der Bioumsatz ist nach vorläufigen Schätzungen allein in diesem Jahr um 15 Prozent gestiegen - auf 4,5 Milliarden Euro. Die Biobauern sind für den Ansturm nicht gerüstet. "Biokartoffeln, Biomöhren und -fleisch werden knapp", sagt Diana Schaack von der Zentralen Markt- und Preisberichtstelle in Bonn. Nun will EU-Agrarkommissarin Mariann Fischer-Boel die seit fünfzehn Jahren bestehenden Regeln für den Ökolandbau ändern. Sie sagt "vereinfachen", die Ökoverbände sagen "verwässern". Drei Punkte der Brüsseler Pläne sind besonders strittig. Erstens: Geht es nach der Kommission, dürfen Biowaren künftig zu 0,9 Prozent mit Gentechnik verunreinigt sein, ohne dass sich auf der Verpackung ein Hinweis findet. Derzeit ist Gentechnik für Biobauern tabu, genau wie für viele ihrer Kunden auch. Zweitens: Bislang müssen alle Zutaten von Süßigkeiten oder Pizzen öko sein, damit "Bio" auf der Schachtel stehen darf. Demnächst kann eine einzelne Zutat als Bio beworben werden - etwa die Biomilch in einer Schokolade, die sonst konventionell produziert wurde. Und drittens: Heute muss der Ökobauer über alles Buch führen - zum Beispiel woher sein Futter kommt und wie er kranke Tiere behandelt. Das wird genau überprüft. Demnächst soll die Bioproduktion hingegen nicht mehr so streng kontrolliert werden. Dann wird vor allem die Endqualität der Ware untersucht. Mehr bei http://www.taz.de/pt/2006/12/20/a0107.1/text http://www.de.indymedia.org/2006/12/164138.shtml http://www.ftd.de/politik/europa/138115.html